Hochschule Düsseldorf
University of Applied Sciences

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Warum Genderaspekte berücksichtigen? 

Frauen* machen rund 50% der Bevölkerung aus. Dieser Anteil muss sich in allen zentralen gesellschaftlichen Bereichen widerspiegeln. Forschung und Lehre sind ein solcher Bereich. Jedoch sind Frauen in akademischen Spitzenpositionen weiterhin deutlich unterrepräsentiert,dabei machen sie knapp die Hälfte der erfolgreich Promovierten in Deutschland aus. Der Anteil von Frauen an den Professuren beträgt nur 29 %, in den höchsten Besoldungsgruppen (W3/C4) ist er noch niedriger. Die Gründe dafür liegen in den Strukturen unsere Gesellschaft.​ Das bedeutet: Macht und Ressourcen sind nach wie vor ungleich verteilt. Das zeigt etwa der Blick auf „Gaps“. Dazu kommen Hürden wie die „gläserne Decke“, also die systematische Schwierigkeit, in Führungspositionen aufzusteigen obwohl augenscheinlich keine sichtbaren Barrieren wie Verbote bestehen. Kurzum: Wer akademische Chancengleichheit ernst meint, muss die strukturellen Rahmenbedingungen hinterfragen.

Berufungsverfahren sind komplex

Auch wenn Berufungsprozesse formal standardisiert erscheinen, eröffnet jede ihrer Phasen Spielräume für institutionelle Interessen, symbolische Passungsverhältnisse und implizite Ausschlüsse – etwa entlang von Geschlecht, Herkunft oder wissenschaftlichem Habitus. Diese Dynamiken gilt es sichtbar zu machen und kritisch zu reflektieren, um langfristig gerechtere und diversitätsorientierte Berufungskulturen zu fördern.​​ ​

​​Die folgenden Etappen geben Einblick in diesen Prozess:

1. Antragstellung und Ausschreibung

Ein Antrag auf Neubesetzung wird gestellt, über die inhaltliche Ausrichtung der Professur (Denomination) wird abgestimmt, und eine Berufungskommission wird gebildet. Bereits in dieser Phase werden maßgebliche Weichen gestellt – etwa durch die Wahl des inhaltlichen Zuschnitts, der das Bewerber*innenfeld strukturell beeinflussen kann.

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2. Operationalisierung der Aufgaben

In einem nächsten Schritt wird das Anforderungsprofil konkretisiert. Dies umfasst die Festlegung der Kriterien, anhand derer die Eignung von Bewerber*innen beurteilt wird. Dabei erfolgt eine Übersetzung wissenschaftlicher, didaktischer und institutioneller Erwartungen in überprüfbare Kriterien – eine Phase, die zugleich Spielräume für subtile Machtkonstellationen bietet.

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3. Sichtung und Vorselektion

Nach Ablauf der Bewerbungsfrist sichtet die Kommission die eingegangenen Bewerbungen, erstellt eine Vorselektion und identifiziert geeignete Kandidat*innenprofile. Die Auswahl unterliegt dabei nicht nur inhaltlichen Erwägungen, sondern auch dem habituellen Abgleich mit impliziten Normen akademischer "Exzellenz".

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4. Vorstellung und Fachgespräche

Die ausgewählten Kandidat*innen werden zu Lehrproben, Fachgesprächen und persönlichen Vorstellungen eingeladen. Wissenschaftliches Profil, Lehrkompetenz, Auftreten und Kommunikationsfähigkeit werden bewertet, bei der sich objektive Maßstäbe und subjektive Eindrücke überlagern.

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5. Gesamtauswertung und Listenbildung

Auf Basis der gesammelten Eindrücke erstellt die Kommission eine Rangliste der Bewerber*innen. Diese Gesamtbewertung ist Ergebnis eines Aushandlungsprozesses, in dem unterschiedliche Perspektiven – fachliche, strategische, aber auch institutionelle – zur Geltung kommen.

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6. Abstimmung, Ruf und Verhandlungen

Abschließend erfolgt die Abstimmung mit dem Fachbereich und dem Präsidium, bevor ein offizieller Ruf erteilt wird. Daran schließen sich Berufungsverhandlungen an, in denen Arbeitsbedingungen, Ausstattung und Gehaltspakete verhandelt werden – ein Prozess, der erneut strukturelle Ungleichheiten sichtbar machen kann.​

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Auf einen Blick: Was tun?

Ein transparentes und chancengerechtes Berufungsverfahren stärkt Exzellenz und Vielfalt in der Wissenschaft. Dafür sind folgende Maßnahmen entscheidend:

  • Klare und ausgewogene Kriterien: Legen Sie den Fokus auf essenzielle Kompetenzen, benennen Sie optionale Anforderungen klar.
  • Besetzen Sie Ihre Kommission paritätisch. Diverse Teams vermeiden einseitige Perspektiven.
  • Innovative Ausschreibung: Offene Formulierungen fördern kreative Bewerbungen.
  • Gezielte Verbreitung: Streuen Sie die Info zur Stelle breit, insbesondere in Netzwerken für Frauen.
  • Unvoreingenommene Bewertung: Anschreiben und Fotos zu Beginn beiseitelegen, Beobachtung und Bewertung trennen.
  • Bewusst gegen Bias: Gruppendynamiken reflektieren (z. B. Halo-Effekt, dominante Stimmen).
  • Weiterbildung nutzen: Schulungen und Webinare zu fairem Auswahlverfahren besuchen.
  • Unkonventionelle Karrieren wertschätzen: Individuelle Wege in der Wissenschaft anerkennen.
  • Personalfachkräfte einbinden: Externe Expertise kann den Prozess optimieren.
  • Durch eine konsequente Anwendung dieser Prinzipien werden Berufungsverfahren fairer, transparenter und zukunftsorientierter.

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​Faire Beurteilungen

Ein zentrales Problem in Berufungsverfahren sind vorbewusste Vorannahmen, auch als implicit bias bekannt. Diese kognitiven Verzerrungen führen dazu, dass Menschen Frauen und Männern unterschiedlich bewerten. Studien zeigen: In Stresssituationen, etwa unter Zeitdruck oder hoher Nervosität, werden stereotype Annahmen verstärkt. Unbewusste Vorurteile können unseren explizit formulierten Überzeugungen widersprechen. Wir alle haben einen Bias – glauben Sie nicht? Machen Sie den Implicit Bias Test der Harvard Universität.


​Aktive Rekrutierung

Durch gezielte Recherche und direkte Ansprache qualifizierter Kandidatinnen lässt sich die Zahl weiblicher Bewerberinnen erhöhen und die Auswahl im Berufungsverfahren erweitern. Diese Aufgabe können Fachbereiche selbst übernehmen – durch Empfehlungen von Kolleg*innen, die Suche über Fachgesellschaften, Frauenverbände, Netzwerke und Expertinnen-Datenbanken. Alternativ kann die Rekrutierung an externe Personalagenturen delegiert werden. 

Die Hochschule Düsseldorf unterstützt das "active targeted recruiting​" in Fachgebieten, die eine Unterrepräsentanz von Frauen aufweisen durch einen Zuschuss zentraler Mittel der Gleichstellung. In Kooperation mit einer externen Personalberatung stärkt die HSD damit ihre Bemühungen für mehr Chancengleichheit und eine zukunftsorientierte Berufungspraxis. 

Ansprechpartnerin: Beata Lis-Boy, Tel.: +49 211 4351-8337



Webinare, Bücher und Checklisten

​Um Berufungsverfahren fairer und chancengerechter zu gestalten, bieten Hochschulen kostenfreie Webinare zu Unconscious Bias und impliziten Verzerrungen an. Diese interaktiven Trainings helfen, unbewusste Denkmuster zu erkennen und bewusste Entscheidungsprozesse zu fördern. 

Webinar 1: "Eine Professorin für Altenklangs​" (Universität St. Gallen). Inhalt: Simulation eines idealtypischen Berufungsverfahrens mit Fokus auf Entscheidungsdilemmata und Zielkonflikte. Dauer: ca. 60 Minuten

Webinar 2: "Chancengleichheit in Berufungsverfahren​" (TU Berlin & Universität der Künste Berlin). Inhalt: Animationsfilme, die in kritischen Situationen Verzerrungseffekte sichtbar machen und Reflexion ermöglichen. Dauer: ca. 40–60 Minuten
 
Fachliteratur & Checklisten
Das Buch „Personalauswahl in der Wissenschaft“ vermittelt praxisnah Methoden zur evidenzbasierten Personalauswahl. Zu diesem Buch gibt es praxisorientierte Checklisten​ zur systematischen und fairen Gestaltung von Berufungsverfahren.