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HSD / We #stayhome and #careforyou, Studierende, Lehre, Digitalisierung, Interview@home
08.05.2020

We #stayhome and #careforyou: Interview mit Prof. Dr. Gaby Temme

Wie haben Sie sich auf die Online-Lehre zum 20.04.2020 vorbereitet?

Glücklicherweise hatte ich schon Erfahrungen mit der Online-Lehre durch Lehrerfahrungen in einem Weiterbildungsmaster, der mit Blended-Learning arbeitete und durch die Nutzung von Diskussionsforen im Kurs „Strafvollzug: Fiktion und Wirklichkeit“. Allerdings war es bei letzterem so, dass die Besprechung der Ideen der Studierenden in der Präsenz stattfand. Die Diskussion der Inhalte nur über Online-Diskussionen ist etwas anderes und im Recht eine besondere Herausforderung. Die Aufgabenstellung und die Vermittlung muss im Vergleich zur Präsenz vollständig neu konzipiert werden.
Positiv ist, dass durch die Online-Lehre zwei Lehrskripten zum Strafrecht und zum Jugendstrafrecht entstanden sind. Diese sind zwar noch nicht vollkommen, aber sie können in den nächsten Semestern dann zur Unterstützung der Präsenzlehre genutzt werden. Dies war immer ein Wunsch der Studierenden aus dem Kurs Strafrecht, dem ich bisher aufgrund der zeitlichen Ressourcen nicht nachkommen konnte.
In den Moodle-Kursen sind sowohl die normalen Materialien für die Präsenzlehre eingestellt als auch diejenigen, die jetzt anders und neu wegen der Online-Lehre sind. Dadurch können die Studierenden vergleichen, was anders ist.
Nach den ersten Wochen wird deutlich, dass die Online-Lehre wesentlich zeitintensiver in der Betreuung ist als die Präsenzlehre. Außerdem scheint es für die Studierenden belastend zu sein, dass jede*r Dozent*in andere Formate wählt, so dass diese alle von den Studierenden koordiniert werden müssen. Hinzu kommt für die Studierenden wesentlich mehr Textarbeit. Inwieweit im Recht die tatsächliche Anwendungskompetenz im Hinblick auf §§ nur aus dem Gesetzestext heraus vermittelt werden kann, muss abgewartet werden. Kriminologische Inhalte sind einerseits leichter über Forschungsberichte zu vermitteln, allerdings fehlt der Lerneffekt über tatsächliche kleine Erhebungen und Auswertungen z.B. zur eigenen Jugendkriminalität. Diese konnten aufgrund der Umstellung auf die Online-Lehre nicht mehr – wie sonst in der Präsenz – geleistet werden. Das ist schade! Gleiches gilt für den Besuch einer Strafgerichtsverhandlung am Amtsgericht und die Reflexion der Erfahrungen. Die Erarbeitung eines Strafverfahrens und der Besonderheiten nur anhand der §§ und entsprechender Texte bleibt auf einem sehr abstrakten Niveau.
Wirklich alle Lerntypen über die Online-Lehre zu berücksichtigen bzw. den Versuch zu unternehmen, war aufgrund der kurzen Vorbereitungszeit für die Umstellung aller Veranstaltungen auf Online-Lehre leider nicht möglich. Deshalb gehe ich davon aus, dass einige Studierende in den Rechtkursen sich von der Prüfung abmelden und lieber im nächsten Semester, dann hoffentlich in Präsenz, die Veranstaltung anwählen werden.
Außerdem ist für mich der persönliche Austausch mit den Studierenden im Kontaktstudium über rechtliche und kriminologische Fragestellungen einer der Gründe, warum ich mich für den Beruf der Professorin entschieden habe. Insofern bin ich sehr froh, wenn die Lehre wieder in Präsenz stattfinden kann. 

 

Welche anderen Projekte – zum Beispiel Forschungsvorhaben – beschäftigen Sie derzeit sonst noch?

Das bewilligte Forschungsprojekt zur Nutzerforschung von Menschen mit Hafterfahrung zusammen mit Prof. Dr. Anne van Rießen konnten wir um ein Jahr verschieben. Wir hoffen, dass die Bewerber*innen auf die damit verbundene Stelle auch noch im nächsten Jahr Interesse an der Stelle haben.
Das Handbuch Psychosoziale Prozessbegleitung, das ich zusammen mit drei Kollegen*innen herausgebe, wird nunmehr im Jahr 2022 erscheinen.
Möglicherweise ist es eine Generationenfrage, aber ich mag keine Gremiensitzungen wie Fachbereichsrat und Senat, die als Telefon- oder Videokonferenz stattfinden. Leider geht es zurzeit nicht anders. Sie als Studierende sind diesbezüglich sicherlich offener.
Zwei laufende Berufungsverfahren, bei denen ich den Vorsitz habe, müssen wir zurzeit vollständig umorganisieren. Unserem Fachbereich und den Berufungskommissionen sind Probelehrveranstaltungen in Präsenz sehr wichtig, um sehen zu können, ob die Bewerber*innen tatsächlich gut lehren können. Deshalb wird es für die beiden Stellen wahrscheinlich dazu kommen, dass sich die Besetzung um ein halbes Jahr verzögert. Das hat für die Kollegen*innen vor Ort und die Studierenden die Konsequenz, dass die fehlende Lehrkapazität für ein halbes Jahr mit Lehraufträgen abgedeckt werden muss.


 
Ihr persönlicher Tipp an die Studierenden:

Es ist ganz normal, sich am Anfang mit dieser neu​en Situation überfordert zu fühlen. Uns Lehrenden geht es ähnlich! Nutzen Sie die tollen Angebote der Bibliothek mit den Sondererwerbungen über E-Content und die lizenzierten Datenbanken, die Sie online abrufen können. Wenn Sie sich bisher nicht damit vertraut gemacht haben (gerade im Recht ;-), dann ist das jetzt die Chance, die Hemmschwelle zu überwinden und für die nächsten Semester sind Sie Profis.
Melden Sie den Dozenten*innen zurück, wenn es mit den Lehrformaten Probleme gibt. Für entsprechende Hinweise in den ersten Wochen war ich sehr dankbar und ich denke, Kollegen*innen geht es genauso.
Wenn Sie familiäre Zusatzbelastungen haben, dann schauen Sie, ob Sie nicht einige Veranstaltungen nicht belegen, die Ihnen vielleicht besser in Präsenz im nächsten Semester liegen und Sie dafür andere nutzen oder Sie es in diesem Semester etwas langsamer angehen lassen. Dadurch ggf. entstehende Probleme lassen sich immer durch z.B. Nachteilsausgleiche etc. lösen.
Joggen hilft! Ich kann verstehen, dass Sie möglicherweise Joggen nicht mögen (tue ich als Handballerin und Volleyballerin auch nicht!), aber um nach einem Online-Tag den Kopf frei zu kriegen und nicht in eine Corona-Muskelschwächung mit Gewichtszunahme einzutreten, hilft es auf jeden Fall ;-).
Ressourcenorientiert gedacht: Das ist die Chance, die Nachbarn von Balkon zu Balkon mit 1,5 m Abstand näher kennenzulernen! Man kann sehr interessante Erfahrungen machen!

Durchhalten!​

Prof. Dr. Gaby Temme
Prof. Dr. Gaby Temme