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HSD > Aktuelles > Düsseldorfer Überlebende der „Polenaktion“ 1938: Im Gespräch mit Sonia Dombrowski
HSD / Erinnerungsort Alter Schlachthof
03.03.2020

Gespräch mit Sonia Dombrowski, der letzten Düsseldorfer Überlebenden der „Polenaktion“

​Der Andrang war so groß, dass leider viele Besucher*innen abgewiesen werden mussten. Über 70 Menschen kamen, um die Lebensgeschichte von Sonia Dombrowski (89 Jahre) zu hören.

Gemeinsam mit ihrer ein Jahr älteren Schwester Ester sind sie die letzten Überlebenden der „Polenaktion“ – der Abschiebung der Jüdinnen und Juden mit polnischer Staatsangehörigkeit aus dem Deutschen Reich, am 28.10.1938. Die Veranstaltung des Erinnerungsortes Alter Schlachthof fand aus gegebenem Anlass in der Mahn- und Gedenkstätte statt, wo noch bis zum 15.03.2020 die Ausstellung „Im Niemandsland“ gezeigt wird, die eben diese Abschiebung thematisiert.

Es waren 441 Menschen aus Düsseldorf, die brutal und von einem Tag auf den anderen abgeschoben, deportiert wurden. Reichsweit waren es mindestens 17.000. Die Menschen waren zum Spielball von diplomatischen Konflikten zwischen dem Deutschen Reich und der Republik Polen geworden – vor dem Hintergrund immer weiter steigender Flüchtlingszahlen. Herausgerissen aus ihrer Heimat, denn die meisten von ihnen wohnten mit ihren Familien schon seit vielen Jahren hier. Nach Zbaszyn (deutsch: Bentschen), Polen abgeschoben, waren sie gezwungen, mehrere Monate in einem provisorischen Lager zu leben.

Im August 1939 konnten Sonia, Ester und ihre Eltern, Anna und Max Dombrowski, nach Bendzin zu Verwandten ziehen. Hier erlebten sie den Überfall der deutschen Truppen auf Polen und den Terror einziehender SS-Truppen. Bald darauf wurden sie in ein Ghetto gesperrt, das die deutschen Besatzer auch in Bendzin einrichteten. Sonias Großeltern, die nicht jüdisch waren, erwirkten eine Erlaubnis, die beiden Kinder und ihre Mutter nach Düsseldorf zurückzuholen. Dies konnte nur gelingen, weil Anna erst nach ihrer Heirat zum Judentum konvertiert war. Anna wollte ihren Mann nicht verlassen, doch Max drängte sie, sich und die Kinder zu retten und so kamen die drei zurück nach Düsseldorf, wo sie im Haus der Großeltern in Düsseldorf-Unterrath wohnten.

Im September 1944 erhielten Sonia und Ester den Befehl der Gestapo, sich am Düsseldorfer Schlachthof zum Transport zu melden. Nun drohte also doch die Deportation! Die Mutter beschloss, sich dem Befehl zu verweigern. Alle drei tauchten ab und versteckten sich bei Verwandten in Hilden. Vom Vater, der immer noch im Ghetto in Bendzin lebte, gab es seit Mitte 1943 keine Nachrichten mehr. Erst nach dem Krieg hörten sie von Überlebenden, dass das Ghetto im August 1943 von der SS aufgelöst und alle Bewohner*innen nach Auschwitz deportiert und ermordet worden seien. Nur eine winzige Hoffnung blieb, dass Max die Shoah überlebt haben könnte… doch sie sollte sich nicht erfüllen.

Ester wanderte 1948 mit ihrem Mann nach Israel aus, wo sie heute noch lebt. Sonia wäre ihr gerne gefolgt, doch sie blieb in Düsseldorf, weil sie ihre Mutter nicht alleine lassen wollte und konnte. Sie lernte ihren Mann kennen – der das Vernichtungslager Auschwitz überlebt hatte – und wurde eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Über ihre Vergangenheit sprach sie nicht, es fragte auch niemand. Über die aktuelle Lage, das bedrohliche Anwachsen rechtsradikaler und rechtspopulistischer Stimmungen und Hetze, zeigte sich Sonia Dombrowski sehr besorgt. Es war ihr erster öffentlicher Auftritt als Zeitzeugin, dem nicht nur sie eine große Bedeutung beimaß.

„Die Erinnerung an die Verfolgten und Ermordeten muss bewahrt werden“, bekräftigte Joachim Schröder, der Leiter des Erinnerungsortes Alter Schlachthof, in seinem Schlusswort.
„Dies gilt gerade in heutiger Zeit, in der Nazis und Rassisten wieder Terror ausüben und Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen, bedrohen und ermorden.“

Großer Andrang in der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf.